Auf der Straße


Sobald die Dinge zum Alltag werden, erscheinen sie nicht mehr berichtenswert, dabei ist die Liste mit den Kuriositäten dieses Landes noch lange nicht am Ende. Dem real existierenden Sozialismus hier werde ich wohl einen eigenen Beitrag widmen müssen, aber auch sonst gibt es noch ein paar Phänomene, an die ich mich einfach schon zu sehr gewöhnt habe, dabei sind sie vielleicht durchaus ungewöhnlich. Ein Beispiel ist der Straßenverkehr.
Grundsätzlich gilt: Solange es noch rollen kann, wird es gefahren. Aber nicht zu schnell, sonst könnte nach den Kotflügeln und den Nummernschildern auch noch die Tür abfallen (eine eingedrückte oder fehlende Windschutzscheibe ist übrigens kein Hinderungsgrund). Das Nummernschild kann durch ein handgeschriebenes Pappschild ersetzt werden, Hauptsache, da steht eine Nummer. Sollte man ein solches, vorsichtig gefahrenes Kunstwerk nun überholen wollen – innerorts liegt die Geschwindigkeitsbegrenzung bei 40km/h, außerorts bei 60km/h – hupt man, um seinen Überholvorgang anzukündigen. Dies ist immer und unbedingt ein freundliches Hupen, wenn man seine Hupe gut kennt, kann man darüber ganz musikalisch werden.
Sollte man in Versuchung geraten, innerorts mit 45km/h zu überholen, so wird man nach wenigen Metern von einem speed bump ausgebremst, den ein ihn mit zu hoher Geschwindigkeit nehmender Bekannter schon mit seinem Kotflügel bezahlte. Die Huckel sind notwendig, da man sonst die vielen Hunde und Kinder auf der Straße zu spät bemerken könnte. Beim Überholen setzt man dann die Mitwirkung aller Beteiligten voraus, insbesondere die des Gegenverkehrs. Also: hupen und ausscheren, es wird schon gutgehen!

Richtig gut funktionieren hier „Baustellenampeln“. Während man in Westeuropa manchmal fünf Minuten lang vor einer roten Ampel darauf wartet, dass sich doch noch ein entgegenkommendes Fahrzeug auftut, werden einspurige Baustellen hier nach Bedarf geregelt. An beiden Enden steht ein Straßenarbeiter, jeweils bewaffnet mit einem Lollipop-Schild. „Go“ ist grün, „Stop“ ist rot. Auf dem Causeway zwischen Betio und Bairiki stehen im Augenblick besonders freundliche Vertreter. Gegen den Staub tragen sie zu ihrem Schutzhelm und ihrer Sonnenbrille einen Mundschutz. Einige tragen den als Fashion Statement, mit aufgedrucktem Skelett. Ein herrlicher Anblick, und wenn man sich darüber freut, freuen sie sich auch und winken den Wartenden gut gelaunt zu. Der Verkehr kommt nie ganz zum Erliegen und alle haben ihren Spaß – was will man mehr?

Dass ich mich hier wirklich an das Straßenbild gewöhnt habe, bemerkte ich übrigens vor ein paar Wochen, als ich einen Motorradfahrer anschaute wie einen Außerirdischen. Irgendetwas stimmte nicht, aber was war es? Der Integralhelm. Niemand trägt hier einen Helm. Kinder werden, noch bevor sie sitzen können, einfach mit der freien Hand festgehalten und so transportiert, genauso auch Ersatzteile, Körbe, Kisten und weitere Familienmitglieder. Eine australische Familie hat hier einen guten Kompromiss gefunden zwischen den örtlichen Gepflogenheiten und dem Sicherheitsbedürfnis der I-Matangs: Mama, Papa und der Sohn fahren auf einem Moped durch die Gegend – mit Fahrradhelmen.
 
Der Kapitän hat heute ein Video vom Nippon Causeway gedreht:


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