Moskitos


Wir leiden, schon wieder, unter einer Moskitoplage - vier Stiche zwischen Aufstehen und Zähneputzen sind ein untrügliches Zeichen. In Nordeuropa sind Mücken vor allem eine lästige Angelegenheit,  in den Tropen sind sie aber nicht nur lästig, sondern oftmals gefährlich. Sie übertragen Krankheiten wie  Dengue-Fieber, das Zika-Virus und Chikungunyafieber, eine Krankheit, die rheumaartige Gelenkschmerzen hervorruft und bei einem schlimmen Verlauf zu hämorrhagischem Fieber führen kann. Während lange der einzige Schutz vor diesen Krankheiten aus Moskitonetzen und Sprays - und in britischen Kolonialgebieten Gin Tonic - bestand, man also nur versuchen konnte, die Moskitos möglichst weit von sich fern zu halten, hat man inzwischen durch eine 1993 gemachte Entdeckung eine viel raffiniertere Methode. Ich fürchte,  ich kann das Verfahren nicht auf so wundervoll unterhaltsame Weise wiedergeben, wie es mir gestern von der vietnamesischen Ärztin geschildert wurde. Sie vertritt das World Mosquito Program im Pazifik und richtet  hier in Tarawa gerade ein Büro für das Programm ein. Ich gebe mir aber Mühe, denn es ist, finde ich, eine faszinierende Methode. Für die der Sprache Shakespeares und Lady Gagas Mächtigen gibt es hier noch eine bessere Erklärung. 



1993 entdeckte man, dass viele Insekten – Fruchtfliegen, Libellen, Motten, Schmetterlinge – ein Bakterium namens Wolbachia in sich tragen. Dieses Bakterium schränkt das Wachstum des Dengue-Virus stark ein. Als man das Wolbachia-Bakterium in aedes agypti, die ägyptische Tigermücke, injizierte, stellte man fest, dass sich, vereinfacht gesagt, nur noch die injizierten Mücken vermehrten, nicht jedoch die Wolbachia-freien Mücken. Die so präparierten Mücken waren keine geeigneten Wirte für das Dengue-Virus und konnten es nicht weiter übertragen. 2011 ließ man für einen praktischen Versuch in Queensland, Australien die ersten modifizierten Mücken frei. Dies führte zu hervorragenden Ergebnissen und Dengue-Fieber steht in Australien kurz vor der Ausrottung, da die Mückenpopulation in Queensland nach und nach duch die Wolbachia-trangenden Mücken ersetzt wird. Das World Mosquito Program möchte nun, wie sein Name schon sagt, das Programm auf alle betroffenen Regionen ausweiten – und dazu die modifizierte Supermücke verbreiten. Hier kommt Kiribati ins Spiel, denn auch hier kommt es immer wieder zu Ausbrüchen von Dengue und Chikungunya. 

Wie bekommt man Mücken nach Tarawa? Schon frische Lebensmittel sind eine wiederkehrende logistische Herausforderung, auf Ersatzteile wartet man oft monatelang. Die Lösung ist die gleiche wie für Käse oder fehlende Bauteile: Man muss sie persönlich transportieren. Die Mückeneier werden in einem Labor in Melbourne mit dem Wolbachia-Bakterium injiziert, jedes einzelne Ei. In ihrem Mückenkindergarten wachsen sie zu Larven heran. Sind sie geschlüpft, sind sie sehr, sehr hungrig – ungefähr so wie unsere Katze. Sie werden gefüttert und fressen sich rund und pummelig. Irgendwann sind sie rund und pummelig genug und beginnen, sich zu verpuppen. Jetzt tickt die Uhr. Denn da sie nun eine Woche lang nicht gefüttert werden müssen, ist hier das Fenster für ihren Transport. Jetzt packt Quenn, die Mitarbeiterin des World Mosquito Program in Melbourne ihren Koffer und einen kleinen Behälter mit Mückenpuppen ein und besteigt ein Flugzeug – und kommt hoffentlich innerhalb einer Woche am Zielort an, wo sie die nun schlüpfenden Moskitos freilässt. Die modifizierten Moskitos vermehren sich vor Ort dominant und verdrängen, voilà, langsam die nicht-modifizierten Moskitos. Denguefieber, Zika-Virus und Chikungunya können sich nicht mehr ausbreiten und sterben langsam aus. Dem Ökosystem bleiben sie erhalten und stechen weiter fröhlich zu. Den Gin Tonic sollte man deshalb unbedingt trotzdem trinken. Anders hält man es in den Tropen gar nicht aus.

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