Beim Friseur
Man muss wissen, wo man suchen muss, aber es ist durchaus
möglich, in Tarawa zum Friseur zu gehen. Die Friseurin
heißt Grace und kommt aus Südkorea. Sie gehört wohl in die Kategorie
„gestrandete I-Matangs“ und wohnt schon seit Jahren in Kiribati. Der „Salon“
ist die Veranda ihres Hauses, dort steht ein höhenverstellbarer Frisierstuhl
vor einem großen, am Fenster lehnenden Spiegel. Das Geschäft ist nicht nur
Friseur, sondern auch Hochzeitskleidverleih und so hängen einige
Kleider unter der Decke. Für das echte Inselgefühl ist ein wenig Chaos
unabdingbar und so finden sich hier auch noch eine bunte Sammlung aus
Schaufensterpuppen, diversen Kisten und ein leicht lädiertes Kunstledersofa,
auf dem derjenige warten kann, der gerade nicht bearbeitet wird. Wenn man Glück
hat, bekommt man zum Lesen ein koreanisches „look book“ zum Anschauen, mit
lauter hübschen Koreanerinnen mit vollem, welligen Haar. Ich habe mir nichts daraus ausgesucht,
sondern einfach nur vier Zentimeter abschneiden lassen. Jetzt habe ich wieder
eine Frisur, nicht einfach nur Haar.
Grace war sehr besorgt am Samstagmorgen, denn der 9. September
ist der Jahrestag der Staatsgründung Nordkoreas und das ist ein beliebter Tag
für Raketentests in dem Land, in welchem, geradezu urdemokratisch, ein Ei regieren darf. Das mobile Internet funktionierte nicht, da die Tropenstürme
in den USA den Satelliten gestört hatten und so hatte sie noch keine
Nachrichten lesen können. So weit weg wir hier auch vom Geschehen der Welt sind,
so unmittelbar kann es hier manche betreffen.
Nicht nur politisch, sondern auch geologisch: Nach
dem Erdbeben in Mexiko am Freitag wurde eine Tsunamiwarnung für den Pazifik
herausgegeben, die für Tarawa ein Hochwasser von 0,3 – 1 m über Normal
vorhersagte. Gemerkt haben wir davon nichts, erstens war Wochenende und 6.32h
ist sehr früh. Zweitens wohnen wir auf der Lagunenseite, und drittens war
vermutlich nicht mal auf der Pazifikseite etwas zu merken – trotzdem gilt:
better safe than sorry, lieber haben als brauchen.
Der Wahlkampf in Deutschland spielt im Pazifikraum übrigens
keine Rolle. Interessierte australische Botschaftsmitarbeiter wissen, dass er
stattfindet und fragen uns danach, aber in den Nachrichten taucht er nicht auf.
Wir werden in zwei Wochen bis zu unserem Montagmorgen warten müssen, um zu
wissen, mit wem Merkel potentiell ihre vierte Amtszeit bestreiten kann. Wenn in
Deutschland um 18h die ersten Hochrechnungen eintreffen, ist es bei uns 4h
morgens. Bis zum Aufstehen sollten die Stimmen ausgezählt sein und vielleicht
reicht das Internet, um die Elefantenrunde beim Frühstück zu schauen. Falls sich jemand fragt, ob wir überhaupt wählen dürfen oder können: Wir
dürfen und wir können und wir werden.
Und das obligatorische Katzenfoto:
"NEIN! Ich WILL noch nicht ins Bett!" |
Kommentare
Kommentar veröffentlichen