Von den kleinen Dingen


Update: Inzwischen geht man davon aus, dass etwa 100 Menschen auf der Fähre unterwegs waren. Auch die lokalen Behörden sind offenbar erst am Freitag informiert worden. Der Präsident hat eine "National Week of Prayer" ausgerufen. Die Suche wurde heute von einem australischen Flugzeug unterstützt, morgen wird eine C-130 Hercules der US Coast Guard hinzukommen. Der Präsident verkündete, dass das Schiff nicht seetüchtig war. 

Noch vier Wochen, dann besteige ich te wanikiba, das fliegende Kanu, und nehme eine Pause von der Insel. Die Berichte hier sind selten geworden in letzter Zeit, und das zeigt vor allem, wie sehr ich mich an das Inselleben gewöhnt habe. All die Dinge, die am Anfang so kurios erschienen, sind Teil des Alltags geworden und scheinen mir nicht mehr erwähnenswert. Trotz der Dinge, an die ich mich gewöhnt habe, ist mein Bedarf für Szenenwechsel groß.

Denn an manche Dinge hier kann ich mich nicht gewöhnen. Gestern und heute berichten auch deutsche Medien darüber, dass ein Dinghi mit acht Überlebenden eines Fährunglücks nach über einer Woche gefunden wurde. Das ist gut, aber gleichzeitig bleiben die 42 anderen Passagiere, den Berichten hier auf der Insel nach überwiegend Schulkinder auf dem Weg zur Schule nach Tarawa (hier fängt diese Woche das Schuljahr an), verschollen und die Hoffnung, sie lebend zu finden, ist gering. Meine Wut, wieder mal, richtet sich gegen die Prioritätensetzung der lokalen Behörden. Erst Freitag am späten Nachmittag, nachdem die Fähre sieben (!) Tage überfällig war, konnten sich die Behörden hier entschließen, Hilfe von außen anzufordern (bis dahin hatten sie offenbar nicht mal den australischen Marineverbindungsoffizier informiert). Die P3-Orion der neuseeländischen Royal Air Force brach daraufhin am Samstagmorgen mit dem ersten Licht in Auckland auf und durchkämmte bis zum Sonnenuntergang knapp ein Drittel des möglichen Suchgebiets. Sonntagmorgen brachen sie mit dem Sonnenaufgang wieder auf und entdeckten gegen Mittag das Dinghi. Innerhalb von weniger als 40 Stunden nach Anforderung der Hilfe waren die Überlebenden gefunden. Man weiß inzwischen, dass die Fähre gesunken ist und das es irgendwo da draußen noch ein zweites Boot gibt. Nach diesem wird nun fieberhaft gesucht.

Trotz der dringend nötigen Pause vom Inselleben fange ich an, über die Dinge nachzudenken, die ich daran vermissen werde. Denn wenn wir Anfang Mai zurückkommen, lässt sich der Rest meines Aufenthalts in Wochen messen. Vor fünf oder sechs Monaten hätte ich schallend gelacht über den Gedanken, hier überhaupt etwas vermissen zu können (genauso wie über die Idee, hier ein ganzes Jahr zu verbringen). Samstag war ein Tag, der lauter Dinge bereit hielt, die mir fehlen werden. Ich werde vermissen:
-       an einem Samstagvormittag über den Dai Nippon-Causeway zu fahren, von Schlagloch zu Schlagloch, links die türkisfarbene Lagune, rechts der graublaue Ozean, aus den Lautsprechern Händels Wassermusik.
-       im Chatterbox Café in fünf Gesprächen mit der neuen, wundervollen Bedienung die übliche Zubereitung meines Kaffees zu besprechen und dann einen perfekten Latte Macchiato zu erhalten.
-       ein Boot mit einem ausgesucht schönen Muster zu sehen.
-       abends spontan mit Freunden zu kochen und Inselklatsch auszutauschen.
-       mit dem Geräusch der einlaufenden Flut einzuschlafen.

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